Der Krieg ist nicht vorbei

Für uns Deutsche gibt es nichts zu feiern, außer wir heißen Frank-Walter Steinmeier oder Angela Merkel und freuen uns, wenn uns die Alliierten bei Ihren Siegeszentennarien an den Katzentisch der Erinnerungskultur platzieren.

Man verzeihe mir meine Verspätung mit diesem Gedenkartikel, aber ich hatte eine allzu schlechte Verdauung, dieses ganze lange Gedenkwochenende über: Erst kam der 100. Jahrestag der deutschen Republik, dann der 100. Jahrestag des Waffenstillstands im Ersten Weltkrieg, dann 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland. Da gibt es wahrlich nichts zu feiern: Vor allem, wenn man sich den besinnungslosen Gesinnungsaufsätzen der deutschen Massenmedien aussetzt, die immer nur „Europa“ und „Willkommen“ hecheln können.

Mein Fazit ist kurz: Dieser Staat – ich nenne ihn bewusst nicht Deutschland, sondern besser mit einem lieblosen Kürzel eines längst verblichenen Zwillingsbruders die „BRD“ – ist im Jahre 2018 nicht in der Lage, seine Toten (genauer: die seiner Vorgängergebilde, hier das „Deutsche Reich“) zu betrauern. Es gab staatlicherseits für die ca. 5 Millionen Deutschen, die im großen Krieg gestorben sind, nicht EINE EINZIGE offizielle Gedenkveranstaltung.
Dabei sind sie ganz überwiegend für Deutschland gestorben, für Kaiser und Vaterland, für den Fortbestand des Großen und Ganzen, oder was sie dafür halten mussten. Ganz gleich, ob man den Kriegseintritt und die Kriegsziele des Deutschen Kaiserreichs aus heutiger Sicht für richtig und gut erachten will oder nicht: Das ostentative Nichtgedenken UNSERER Toten durch diese Staatssimulation namens Bundesrepublik ist ein Skandal.

So weit, so schlecht, dachte ich. Dann aber machte ich, in meinem ganzen novembervernebelten Ärger, gedanklich einen Schritt weiter. Was, wenn es tatsächlich für uns Deutsche an diesen Hundertjahrestagen nichts zu feiern gäbe, nicht, weil wir den Krieg verloren haben wie manchen anderen auch – sondern weil das zu feiernde Ereignis, der Frieden, in Wirklichkeit und für uns gar nicht eingetreten ist?

Ich hatte mir bis dahin angewöhnt, die Ereignisse von 1914 bis 1945 als eine Art Zweiten Dreißigjährigen Krieg zu sehen, von dessen immensen Flurschäden wir Deutsche uns in den Jahrzehnten danach allmählich erholt haben.
Diese Sicht teilte ich, denke ich, mit vielen Historikern im Ausland, weniger in Deutschland. Die Analogie zum Dreißigjährigen Krieg ist aber gerade für uns Deutsche irreführend. Der Vergleich mit dem Hundertjährigen Krieg im 15. Jahrhundert ist viel naheliegender: Seit 100 Jahren bluten die Angelsachsen ein Nachbarvolk jenseits des Meeres aus, behaupten sich dort mit vermeintlich alterhergebrachten Rechten und eiserner Faust, unter Ausnutzung der Korruptheit und Verkommenheit der einheimischen herrschenden Stände. Frankreich damals, Deutschland heute. Hier allerdings endet das Passende des Vergleichs: Frankreich hatte zur rechten Zeit Jeanne d’Arc, wir haben AKK.

12. November 2018 Friedrich Wilhelmi

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