Adieu Staatskirche – lange Jahre bin ich Dir treu geblieben, trotz fader Rituale, Emanzenbibel und saftiger Kirchensteuern.
Aber jetzt, mit Deiner Haltung in der Flüchtlingskrise, hast Du den Bogen überspannt, altes Haus.
Johannes Gross, einer der letzten Journalisten, die ihre Ideen nicht allein von der Atlantikbrücke empfingen, hat, ich glaube, es war schon in den 1980er Jahren, einmal boshaft formuliert: „Der Widerstand gegen Hitler nimmt täglich zu.“ Das Diktum gilt heute mehr denn je, gerade für die Kirchen. So warnt etwa der Berliner Erzbischof Heiner Koch in der FAZ angesichts von Pegida: „Ich denke, auf manche Entwicklungen im Dritten Reich, als sie noch abwendbar waren, hat man zu spät beziehungsweise nicht eindeutig genug reagiert.“
Aha. Und so verdunkeln die Kirchenoberen heute Ihre Dome, auf dass die AfD-Demo auf dem Platz davor keinen malerischen Hintergrund erhalte. Oder man bietet Tschetschenen ohne Bleiberecht ein sogenanntes „Kirchenasyl“ im vollen Bewusstein der Illegalität.
Dabei hat Bischof Koch so unrecht nicht: Es gibt eine traurige Parallele zwischen dieser Gegenwart und dem „Dritten Reich“: Das ist die Vorbehaltlosigkeit, mit welcher sich die Kirchen, vornehmlich die evangelische, in den Dienst der Obrigkeit stellen und damit Verrat an ihren Gläubigen, ihren Gemeinden üben. Die Kirchen haben heute mit ihrem unbedingten Ja zur von oben verordneten, letztlich phantasmagorischen „Willkommenskultur“ mehr gemein mit den fanatisch führertreuen „Deutschen Christen“ der NS-Zeit, als ihnen lieb sein dürfte.
Wen Gott strafen will, den schlägt er mit Blindheit – jene Blindheit, die so gut zusammengeht mit moralischer Überheblichkeit, wie sie ein Kardinal Woelki bei den Katholiken und ach so viele evangelische Bischöfe an den Tag legen, wenn sie den täglichen Flüchtling predigen. Merken diese Leute eigentlich, dass sie uns weit mehr abverlangen als selbst der Gott, in dessen Namen zu sprechen sie sich anmassen?
Der gebot seinen Jüngern, dass sie ihren Nächsten lieben sollten wie sich selbst – und auch das war schon viel verlangt. Heute dagegen gilt der Nächste nichts, der Fremde hingegen alles. Im Zeitalter der Globalisierung ist die höchste Tugend die Fernstenliebe- diese Lehre predigte schon in den achtziger Jahren der Philosoph Hans Jonas. Sein Credo: Das „Prinzip Verantwortung“, welches besagt, dass jeder Erdenbürger jederzeit für jeden anderen Globusbewohner einzustehen habe. Verstanden haben das am Ende nur die Deutschen, die nicht mehr zwischen Bürger und Nichtbürger, Innen und Aussen, Freund und Feind zu unterscheiden wagen, da Unterscheidung auf Latein ja Diskriminierung heisst und der Gebrauchs des Verstandes in ethischen Fragen irgendwie nach Zynismus riecht. Nur das Herz soll sprechen, nur die Liebe zählt. Die kinderlose Bundesmutti und der Sultan vom Bosporus werden es schon richten. Die Botschaft hör ich wohl – allein, mir fehlt der Glaube.
23. Februar 2016 Theo B. v. Hohenheim